Geistlicher und spiritueller Missbrauch
Mein spirituelles Leben ist sehr intensiv: Ich lebe in einem klösterlichen Gefüge (Beginenhof), und das sehr zurückgezogen, kontemplativ und meditativ. Gleichzeitig lehre und teile ich meine spirituellen Erfahrungen mit denjenigen, die davon profitieren wollen.
Doch nicht jeder Mensch ist für eine dermaßen hohe Intensität geschaffen. Denn es bedeutet auch, freiwillig und gern Opfer zu bringen, die nicht jeder bringen kann und will. Es ist immer eine freiwillige Angelegenheit, die sich im tiefsten Inneren der Seele richtig anfühlt, und von vorheriger Selbstbefragung und Verantwortungsübernahme geprägt ist. Denn ansonsten wird man nicht durchhalten, da der spirituelle Weg durch viele Prüfungen und Herausforderungen gekennzeichnet ist.
Ich beobachte momentan intensiv das Geschehen um Gruppen und Gemeinschaften, und die zunehmenden Anklagen des "geistlichen oder spirituellen Missbrauchs".
(Der Büchermarkt explodiert förmlich zu diesem Thema!)
Mir ist dabei aufgefallen, dass von vielen der betroffenen Personen vorher nicht ausreichend ermittelt wurde, ob man überhaupt für die entsprechende Gruppe geeignet ist! Und ob der Weg, der sich so einladend und vielversprechend anbietet, überhaupt mit den eigenen Seelenzielen übereinstimmt.
Weiterhin ist die Verantwortungsfrage bei den meisten Betroffenen nicht in den Vordergrund gestellt worden, denn viele haben schlichtweg die Verantwortung abgegeben und ihre Pflicht, auf sich selbst zu achten und das eigene Leben zu schützen, nicht erfüllt.
Ich möchte natürlich nicht abstreiten, dass es geistlichen Missbrauch gibt, besonders bei Kindern und leicht verführbaren Jugendlichen.
Aber als erwachsener Mensch muss man sich schon die Frage gefallen lassen, warum man seine Verantwortung abgegeben hatte, und welche wahren Motive sich hinter der Gehorsamspflicht und der Unterordnung unter Zwänge verbergen, die man (für sich selbst) als falsch empfunden hat. Nicht selten zeigen sich wichtige Lektionen hinter diesen Geschehnissen, die man unbedingt eigenverantwortlich aufarbeiten sollte.
Doch auch andersherum wird ein »Schuh daraus«. Denn wer als spiritueller Lehrer die Tricks und Programme der egomotivierten Menschen erleiden musste, die ganz eigene Ziele mit ihrer Gruppenteilnahme verfolgen, weiß, was ich meine. Denn in einer spirituellen Gruppierung geht es manchmal zu wie an den früheren Königshöfen, wo Höflinge alles versuchten, um Einfluss oder Sonderbefugnisse zu ergattern.
Davor muss man sich schützen als Gruppenleiter oder spiritueller Lehrer! Besonders dann, wenn wichtige Projekte oder positiv motivierte Gruppen in Gefahr geraten, unwirksam gemacht zu werden. Wenn dann erforderliche Abgrenzungen vonseiten des Lehrers oder Leiters als manipulative Strategie angeklagt werden, wird es ganz furchtbar!
Für beide Seiten gilt es zu erkennen, dass der spirituelle Weg nicht einfach, und schon gar nicht für jeden Menschen gleich ist. Der eine benötigt einen intensiven Weg, der andere einen eher unterhaltsamen und gemeinschaftsbetonten Weg. Das muss sorgfältigst vorher ermittelt werden, und zwar von allen Beteiligten!
Meiner Ansicht nach muss die Erkenntnis wachsen, dass nicht alles vereinheitlicht werden sollte und vor allem – auch mit Druck und durch spirituellen Ehrgeiz – nicht passend gemacht werden darf.
Manuela Schindler
27.3.2025