Begine sein

 

Als ich mich 2013 entschied, als Begine zu leben, ahnte ich noch nicht, dass sich mir wenige Jahre später die Gelegenheit bieten würde, gemeinsam mit drei Damen aus dem Phoenix-Netzwerk einen Beginenhof zu gründen. Die Möglichkeit dazu kam Ende 2018 zunächst als Angebot und wurde dann im Frühjahr 2019 konkret. Mein Umzug von Wedel (b. Hamburg) fand Mitte April 2019 statt und eine aufregende Zeit begann, wie ich sie nie zuvor in meinem Leben erleben durfte.

Bevor der Beginenhof als Zentrum und spirituelle Wirkstätte auftreten konnte, mussten wir sehr viel Arbeit, Geld und Zeit investieren. Die Sanierungsarbeiten benötigten mehr als fünf Jahre und wir haben immer noch Baustellen. Doch ist der Beginenhof inzwischen sehr schön geworden, und auch der Gartenpark kann sich sehen lassen. Leider ist der Arbeitseinsatz immer noch immens, was aber inzwischen besser bewältigt werden kann. Wer gern mehr über den Aufbau lesen möchte, kann auf der Homepage eine schöne Chronik dazu finden mit vielen Bildern. Sie vermittelt einen kleinen Einblick in die Herausforderungen, die wir stemmen mussten. 

 

 

Beginen gibt es seit mehr als 900 Jahren. Eine umfangreich bestückte Seite mit Recherchen aus vielen Jahrhunderten wurde ebenfalls auf der Homepage des Beginenhofs hinterlegt. Wer interessiert ist, kann dort viele Beschreibungen und Forschungsergebnisse finden, neben Beweisen, dass die Beginen im Mittelalter von der Kirche verfolgt wurden. 

Mich zog diese spirituelle und kraftvolle weibliche Lebensweise an! Marguerite Porete (eine Bekannte Meister Eckharts) und Mechthild von Magdeburg waren auch Beginen und lebten das sehr spirituell, in enger Verbindung zum Höheren Selbst/Seele (Porete) und Gott (Mechthild). 

Daher wohl auch die Verfolgungen durch die Kirche, denn freie und spirituelle Frauen, die ohne kirchliche Ordensregulierungen lebten, waren zu der Zeit ein großes Risiko. Warum auch immer. Leider wurde Marguerite Porete von der Inquisition auf den Scheiterhaufen geschickt, weil sie die innere Freiheit vertrat und die Befehlsgewalt auf die Seele übertrug. Das war der Inquisition ein Dorn im Auge und musste weg. Tapfere Marguerite. Wenn sie damals gewusst hätte, wie offen und frei wir heute genau das vertreten und leben können, wofür sie sterben musste, wäre sie froh gewesen. 

Begine zu sein bedeutet heute, ebenso wie damals, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und die Aufgaben zu übernehmen, die dazu nötig sind. Unabhängigkeit ist ein wichtiger Grundbaustein dafür, denn wenn man als Begine einen engen Gottesbezug lebt, muss man frei sein, dem folgen zu können. Und zwar bedingungslos. Daher habe ich die klösterliche und zurückgezogene Lebensweise gewählt, die eingebettet in einen Beginenhof sehr gut lebbar ist, ohne dass ich religiöse Vorschriften und Regelungen einhalten muss. Frei für den spirituellen Weg zu sein ist für mich sehr bedeutend, dem Ruf Gottes folgen zu können, ohne dass ich mich rechtfertigen muss, noch mehr.

Damit ist das Leben im Beginenhof Nordhastedt sehr ähnlich wie in religiösen Klöstern, doch frei in der Art und Weise, wie die Spiritualität ihren Ausdruck finden darf. Das Leben nach Geboten, spirituellen Gesetzen und Regeln und den spirituellen Tugenden ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Lebensform, die nur so ihre Berechtigung erhält. 

Innere Gespräche mit Gott und den geistigen Lehrern sind fester Bestandteil meines Lebens; basierend darauf und auf meinen eigenen Erfahrungen im Umgang mit dem daraus wachsenden Wissen, lehre und berate ich. Deshalb bin ich durch meine intensive spirituelle Lebensweise mit den damit verbundenen Erfahrungen die spirituelle Leitung im Beginenhof und dafür zuständig, dass die Werte und spirituellen Maßstäbe beständig aufrechterhalten und aufgefrischt, oder sogar weiterentwickelt und vertieft werden.

In einer so angesehenen Tradition wie der Beginenbewegung zu leben verlangt, sein Bestes zu geben und treu den damit verbundenen spirituellen Weg zu gehen. Anfechtungen gehören dazu, damit muss man leider auf dieser Welt leben. Doch das Reifen durch sie ist tröstlich, wenn man am Ende auf die Ernte schaut. Und das immer, unabhängig davon, wie hoch der Preis war.

Nun bin ich seit 11 Jahren Begine und habe nicht eine Minute bereut. Der Gedanke, jederzeit ohne großes Aufsehen wieder in ein normales Leben eintreten zu können, ohne dabei die Beziehung zu Gott und der geistigen Welt zu verlieren, hat mir bei der Eingewöhnung sehr geholfen. Meine Erfahrung war definitiv die, dass wahre Freiheit aus dem Inneren erwächst, und das Aufgeben des Lebens einer Privatperson mit ihren vermeintlichen Freiheiten sehr erfüllend ist.

Jetzt, wo der Aufbau des Beginenhofs beinahe abgeschlossen ist, sehe ich die Zukunft klarer. Aber ob ich jemals wieder Gruppen leiten werde außerhalb von Phoenix-Netzwerk, weiß ich bislang nicht. Denn die Zurückgezogenheit ist die Grundlage meines spirituellen Weges, die ich nicht so einfach aufs Spiel setzen möchte. Die Einzelberatungsarbeit läuft aber wie gewohnt weiter. Und wenn eine Gruppe von Interessierten einen Vortrag von mir haben möchte, wäre ich auch dazu bereit. Aber öffentliche Gruppen... wir werden sehen. Mein Leben ist so oft ganz anders verlaufen als geplant, sodass ich inzwischen die Bereitschaft entwickelt habe, flexibel zu sein und das umzusetzen, was aus geistiger Sicht gewollt ist.

Noch mehr Informationen finden Sie in meiner Vorstellung Über mich.

Manuela Schindler
18.9.2024